Ratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Haushaltrede im Gemeinderat am Mittwoch, 24.03.2021
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dahlhoff, sehr geehrte Damen und Herren,
der Haushaltentwurf für das begonnene Jahr weist ein Defizit aus. Die Corona-Pandemie führt zu erhöhten Ausgaben und Bedarfen.
Möglicherweise kommen wir sogar mit unserem Haushaltsansatz nicht aus.
Und nicht nur die Pandemie macht uns Sorgen – auch die Klimakatastrophe bedroht die Zukunft. So gab es im letzten Sommer wiederholt hohe Trockenheit, ein massives Fichtensterben u.a.m. Und diese Katastrophe lässt sich nicht aufhalten ohne große Veränderungen.
Die Nachhaltigkeitsstrategie ist für die Grünen die Messlatte am Haushalt 2021.
Ein Kurort wird auf Dauer die gebotene Attraktivität für Gäste und Einheimische nur behalten, wenn möglichst alle Standortfaktoren diesem Leitbild gerecht werden, dazu gehören das Erscheinungsbild der Gemeinde, der Umgang mit Ressourcen, eine gute Verkehrssituation, und interessante Kur- und Freizeitangebote.
Diese Faktoren aber auch das Ambiente tragen entscheidend dazu bei, ob unsere Gemeinde als Wohnort oder kurzfristiger Aufenthaltsort positiv empfunden und beurteilt wird. Insbesondere nach Ende der derzeit noch geltenden Beschränkungen durch die Corona-Pandemie wird es einen verschärften Wettbewerb der Ausflugsorte geben. Ob aber immer neue Baustellen, weniger Hausgärten, weniger ökologische Grünflächen, viel und ungeregelter Autoverkehr und zunehmende Großbauten wirklich als kurortgemäß empfunden werden, darf doch sehr in Frage gestellt werden. Ein schlüssiges Leitbild fehlt ebenso wie ein städtebauliches Gesamtkonzept. Weder Kurort noch Ortsteile folgen bislang einem Gestaltungsanspruch, der den heutigen und zukünftigen Anforderungen genügen wird. Nicht endende Bautätigkeiten mit Belastungen durch Lärm,
zusätzlichen Lkw-Verkehr und weitgehende Versiegelungen im Kurpark und bei Neubauten, sowie der Verlust von wertvollen Bördeböden werden sich als fatal erweisen. Schon im letzten Sommer sind die gestiegenen Temperaturen auf den großflächigen Plattenbereichen im Kurpark unerfreulich gewesen.
Statt belastende Einleitungen in wenig naturnahe Bäche könnte mit mehr Engagement und relativ geringen Kosten das gesamte Rosenau-Gebiet in einen guten Zustand gebracht werden – und nicht nur abschnittsweise. Es hätte eine deutliche Verbesserung des gesamten Umfeldes zur Folge. Medienwirksame kleine ökologische bzw. kosmetische Aufwertungen an Gewässern oder Verkehrsinseln sind zwar „schön“ aber reichen bei weitem nicht aus, um die Ziele der Biodiversitätskonvention, der Nachhaltigkeitsstrategie und der europäischen Wasserrahmen-Richtlinie fristgerecht zu erreichen.
Als Mitglied in der Initiative „kommbio“, in der sich Kommunen für den Erhalt und einen besseren Schutz der Biodiversität bekennen, sollte unsere Gemeinde eine Strategie entwickeln, wie unsere „Heimat“ auch für die hier vorkommenden Arten und für die Menschen eine Heimat bleiben kann. Noch fehlen hier ausreichende Haushaltsansätze.
Zu begrüßen ist es, dass nach über 10 Jahren endlich die teils illegal überackerten Randstreifen, Wegränder und Gräben wieder ihre ökologische Funktion als Trittsteinbiotope erfüllen sollen. Um hier glaubhaft und dauerhaft Maßnahmen zu sichern, wäre die längst überfällige Erstellung eines Landschaftsplans durch geeignete Fachleute für das Gebiet unserer Gemeinde zwingend geboten. Darin muss ein zusammenhängendes Netz an Schutzgebieten einen echten Beitrag zum Fortbestand heimischer Arten leisten. Eine adäquate Freiraumgestaltung und Pflege, wie sie in vielen Orten längst praktiziert werden, sollten wir endlich auch für unsere Ortsteile und den Kurort entwickeln und Realität werden lassen. Eine Haushaltsstelle hierfür sucht man vergeblich.
Auch die Gestaltung und Konservierung des bestehenden Landschaftsbildes entlang der Gemeindestraßen wurden in den letzten Jahren stark vernachlässigt. Es sind zahlreiche Bäume durch Alterung und Maschinenschäden abgängig und wurden entfernt. Große
Lücken in der Bepflanzung sind die Folge. Hier muss die Gemeindeverwaltung zukünftig deutlich aktiver werden und nachpflanzen. Das gilt insbesondere bei den Obstbäumen und Hecken.
Dass es sich um ein lebenswertes Fleckchen Erde in und um Bad Sassendorf handelt, wussten schon vor rund 7.000 Jahren erste Großfamilien. Die Zeugnisse der frühen Besiedlungen sollten wir schätzen und schützen, was eine grundsätzliche Einbindung von fachkundigen Experten bei allen Erschließungen von Bauplätzen bzw. Erdbewegungen voraussetzt.
Das kommunale Beschaffungswesen muss weiter konsequent nach Kriterien des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Für viele Anschaffungen gibt es mittlerweile umweltfreundliche Alternativen, die oftmals keine Mehrkosten verursachen, wie beispielsweise moderne Beleuchtungssysteme beweisen. Allerdings muss hier immer auch die „Lebensdauer“ der Produkte betrachtet werden. Bewährte Konzepte, wie etwa das Prinzip „cradle to cradle“, das echte Produktkreisläufe erzeugt, gehören dazu. Mehr und mehr setzen sich solche Konzepte in vielen Städten und Gemeinden durch, um ressourcenschonend und Finanzen schonend unseren Wohlstand angemessen zu sichern.
Wachsen um jeden Preis ist keine Strategie, die uns weiterbringt, sondern bürdet nachfolgenden Generationen erhebliche Probleme auf.
Dazu gehört auch ein Blick auf die wachsende Pro-Kopf-Verschuldung der Gemeinde.
Betrug sie in 2014 – noch 621,66 € waren es in 2019 bereits – 3.949,71 €. Für 2021 stehen 3.946,98 € im Ansatz.
Gut, dafür sind Werte geschaffen worden, größtenteils mit erheblichen Fördersummen. Dabei ist jedoch nicht zu vergessen, dass es sich auch hier um Steuergelder handelt und die Gemeinde ebenfalls einen Anteil erbringen muss. Zudem darf nicht vernachlässigt werden, mit welchen Folgekosten die Gemeinde belastet wird.
Noch sind die Steuerbelastungen für die Bewohner moderat. Abzusehen ist leider, dass es bei der angehäuften Schuldenlast und den weiter schrumpfenden Einnahmen nicht so bleiben wird. Der Gewerbesteuerertrag wird aller Voraussicht nach geringer ausfallen, die Einnahmen aus dem Thermalbad fallen weg und die Zuschüsse zum Salzmuseum werden weiter steigen.
Auch hier mahnen wir an, den Nachhaltigkeitsfaktor bei den Finanzen angemessen zu berücksichtigen. Das gebietet die Verantwortung für die nachfolgenden Generationen.
Meine Damen und Herren, Sie hören bei einigen Punkten unsere Skepsis
– dennoch sind wir bereit, diesen Haushalt mitzutragen.
Schließen möchten wir mit unserem herzlichen Dank an alle Verwaltungsmitarbeiter*innen, die insbesondere auch während der Pandemiezeiten uns in der Politik immer gut unterstützt haben.